VIA ANITA - Hochwiesler
Am Samstag kam eine Nachricht eines Kollegen, ob wir nicht mal zum Start in die Alpinsaison etwas Leichtes angehen wollen. Nach kurzer Überlegung und Absprache mit meiner Freundin entschied ich mich für ein JA und gab zurück, dass ich dabei bin. Wir entschieden uns für das top abgesicherte Gebiet am Hochwiesler im Tannheimer Tal, gleich neben der Roten Flüh und nur einen Steinwurf entfernt vom Gimpelhaus. Ich packte also schnell meinen Deuter Guide 35+ mit all meinen Klettersachen und freute mich auf den nächsten Tag.
Den Treffpunkt wählten wir auf halb sieben und hofften auf verschlafen der hundert anderen Gipfelaspiranten. Am Parkplatz angekommen, stellten wir mit Erschrecken fest, dass das verlängerte Wochenende schon den einen oder anderen angelockt hat. So wie es aussah mussten auch die Zeltplätze schon voll sein, denn auf dem Parkplatz übernachteten einige neben Ihren Autos. Wir machten uns noch keine Sorgen, denn aufstiegsstark waren wir und konnten so einiges an Zeit aufholen. Noch kurz einen Parkschein gelöst, den wir dann aber nicht ins Auto legten sondern schnell in der Tasche verschwinden ließen (warum auch immer, die zu erwartende Strafe zahlt zum Glück der Kollege) und schon gings gen Himmel.
Am Gimpelhaus angekommen machten wir kurz Rast und gesellten uns zu den Gruppen der verschiedensten Alpenvereinssektionen. Die letzten Meter waren meist mit freier Sicht auf die Wand und wir konnten zusehen, wie die ersten Seilschaften sich langsam nach oben arbeiteten. Am Einstieg angekommen wartete eine Seilschaft, welche sich als 2 hübsche junge Frauen, die ich schon vom Klettern her kannte, entpuppten und so warteten wir gerne mit Ihnen auf die freie Route. Der Routenverlauf war eigentlich durch die sehr vielen verbohrten Haken gegeben und konnte fast nicht verfehlt werden - bis auf eine kleine Stelle, dazu aber später mehr. Bis wir endlich starten durften verging noch einiges an Zeit, denn die Seilschaft vor den Mädels hat sich ziemlich lange an der Schlüsselstelle in der 2ten Seillänge aufgehalten.
Dann gings endlich los. Wir machten einen ausführlichen Partnercheck sowie eine kleine Kommandoabsprache und mein Kollege kletterte die ersten Meter bis zum Stand. Die erste Seillänge war gerade recht zum warm machen und um die Kommandos zu üben. Es war noch alles in Sichtweite und man konnte sehr gut kommunizieren. Gleich in der 2ten Seillänge kam die Schlüsselstelle, welche mit 6+ bewertet ist, aber mittels Haken auch A0 geklettert werden kann. Wir wählten die freie Art und konnten dies auch leicht bewältigen. Danach kam eine lange Seillänge mit kurzem „Gehgelände“ und einem winzigen Überhang, welcher schön in einer Verschneidung durchklettert wurde. Wir hatten die Zweite lange Pause und durften uns in der Sonne, die gerade ums Eck gekommen war, etwas ausruhen und genossen die schöne Aussicht und die etlichen Seilschaften die am Einstieg warten mussten.
Nach den nächsten 2 Seillängen die im 5ten Grad waren, kam die „verflixte“ Stelle. Man muss an diesem Stand weit nach rechts queren - auf ein breites Band zu einem Kamin. Wer da das Topo nicht richtig liest, geht gerne mal leicht links in eine andere Route und wundert sich wegen dem fehlenden Kamin. Der Damenseilschaft vor uns gab ich diesen kleinen Tipp und souverän meisterten sie auch diesen Quergang der doch sehr ausgesetzt ist. In der nächsten Seillänge kam endlich der Kamin, ein kleines Highlight in dieser Route und ist mit nur einem Haken ein eher weniger abgesicherter Teil dieser schönen Felsfahrt. Die letzte Seillänge ist dann eher ein lockeres Ausklettern, welches aber für den Kletterer wie den Sichernden mit einer wunderschönen Aussicht belohnt wird.
Oben angekommen, kann man sich auf dem leicht geneigten Grashang erst mal hinlegen und die langsam vorbeiziehenden Wolken beobachten und sich auf die schön angelegte Abseilpiste freuen. Bei diesem Hang bietet es sich an, dass man ein paar gescheite Schuh mit nach oben nimmt, denn der Grashang zur Abseilpiste oder Übergang zur Judenscharte ist mit Kletterschuhen etwas glatt und schlüpfrig und sollte nicht unterschätzt werden.
Nach einer ausführlichen Brotzeit und Ausruhphase ging es zur Abseilpiste, wo wir mit einer anderen Seilschaft die Seile teilten. Das besondere, aber auch gefährliche an diese Abseilpiste ist, dass sie 20m überhängend ist und so gute Abseilkenntnisse voraussetzt. Da die andere Seilschaft Ihre Halbseile schon angebracht hatten, boten wir an, dass wir als erstes runter sausten und gleich die nächste Länge einrichten - damit wir zeitnah wieder am Einstieg sind. Gesagt getan. Mein Kollege startete als erstes, gleich danach kam ich und dann die zwei Damen. Bei der ersten ging noch alles glatt - aber dann ist es passiert. Die langen Haare ihrer Kletterpartnerin hatten sich beim Abseilen in den 8ter gezogen und stoppten so die Talfahrt. Von unten konnten wir erst nur mal die Seile straff ziehen damit nicht noch mehr passiert. Da die junge Frau in der Luft hing, konnte Sie sich nicht wirklich selbst entlasten und auch ein gesetzter Prusik half da nicht viel, denn jede Bewegung schmerzte an Ihrer Kopfhaut. Wir haben die Umgebung gecheckt und bevor sie das Messer zückte, hab ich mich in ein Seil eingebunden und bin ihr entgegen geklettert. Von Haken zu Haken schlich ich mich immer näher an Sie heran um dann stützend bei Seite, oder sagen wir eher unter Ihr, zu stehen. Ich bin ein wenig über Sie hinaus geklettert, fand da auch einen Haken und ließ mich dann zu Ihr hinab. Ich machte mich so groß wie möglich damit ich Sie auf meine Schulter, zuerst stellen und dann setzen konnte und wir so das Seil entlasteten. Der Schmerz ließ nach und langsam konnte Sie die Haare aus dem Achter entfernen.
Unten angekommen machten wir das Seil frei, damit die wartende Seilschaft, die ja noch oben saß, auch endlich mit dem Abseilen beginnen konnte. Die 2te Länge ging dann problemlos und schon nach kurzer Zeit standen alle gesund und munter wieder am Rucksackdepot. Da ich mich mit ein paar bekannten an der Schneetalalm unterhalb vom Hahnenkamm verabredet habe und die Haaraktion mir kostbare Zeit geraubt hat, fiel der Abschied recht kurz aus und wir konnten uns auch leider nicht für ein neues Abenteuer verabreden. Ich bin mir aber sicher, dass wir uns wieder sehen werden, seis beim Sportklettern in Finale oder beim Alpinklettern irgendwo in den Alpen. Bis dahin einen schönen und unfallfreien Sommer.